Conny und Matthias um die Welt

Der Duft von Buenos Aires

Als Stadtbewohner kennt man ja die kleinen Tretminen auf den Bürgersteigen, und wenn die Vierbeiner (manchmal auch Zweibeiner) ihr kleines Geschäft ebenfalls auf dem Bürgersteig abwickeln, dann riecht es eben auch mal etwas strenger. Buenos Aires ist da keinesfalls eine Ausnahme. Da fühlt man sich ein bisschen wie zu Hause in der Dresdner Neustadt!

Geht man jedoch zu späterer Stunde durch die Straßen von Buenos Aires, so erreichen einen Düfte ganz anderer Art. Und zwar solche, die, sofern man den tierischen Nahrungsmitteln nicht komplett abgeneigt ist, ein Loch im Magen erzeugen. Gefühlt alle 100 Meter gibt es Restaurants, in denen gegrilltes Fleisch serviert wird. ‚Bife Chorizo‘ (Rumpsteak) und ‚Bife Lomo‘ (Rinderfilet) sind die berühmten argentinischen Steaks. Allerdings, so erzählen es uns später die Einheimischen, hat die Qualität nachgelassen. Die Rinder kommen nicht mehr so oft auf die Weide, sondern werden im Stall gehalten. Weil? Ja, weil die Flächen für die Soja-Produktion gebraucht werden. Und wohin geht das Soja? Ihr ahnt es schon: natürlich nach China, damit die Schweine dort etwas zu essen haben. Ohne zu überspitzen, die Globalisierung hat also auch die Pampa erreicht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Restaurants in Buenos Aires sind gut besucht, nur zu anderen Tageszeiten als wir das gewohnt sind. Vor acht Uhr abends bekommt man vielerorts nichts zu essen, weil die Restaurants schlicht und einfach geschlossen sind. Zum Glück nicht alle, denn wir haben meistens schon eher Hunger. Außerhalb der Kneipen beschleicht uns aber ein Gefühl, dass es den Passanten aus irgendeinem Grund nicht sonderlich gut geht. Ob es am Winter liegt, oder eher an der wirtschaftlichen Situation? Vermutlich an beidem.

Argentinien ist wahrlich ein gebeuteltes Land. 2001 war Argentinien staatsbankrott und hat sich seitdem zwar erholt, aber seit der neue Präsident Macri an der Macht ist, so erzählen es unsere Gastgeber, geht es vielen schlechter als zuvor. Ganz praktisch merkt man das an den Schlangen an den offiziellen Wechselstuben. Der Peso verliert so schnell an Wert, dass man ihn besser gleich in Euro oder Dollar tauscht. Für uns ist deshalb der günstigste Weg, um an Peso zu kommen, unsere Euro zu tauschen. Der Kurs in Wechselstuben oder auf der Straße ist für uns besser als in den Banken. Und wir müssen uns nicht anstellen. Am Geldautomat zahlt man satte 10% Gebühr, die wir gerne vermeiden.

Inflation hin oder her, zweierlei lassen sich die Porteños, wie die Bewohner Buenos Aires genannt werden, nicht nehmen: ihre Musik und ihre Kunst. Wir besuchen zum Nationalfeiertag eine Tango-Milonga mit Showeinlage, machen daraufhin einen Tango Schnupperkurs, gehen in einen angesagten Jazz-Club mit wirklich hervorragenden Musikern, lassen uns die Streetart im schicken Viertel Palermo erklären, tanzen zu bombastischen Trommelwirbeln und bestaunen im Museum der schönen Künste Werke von Van Gogh, Monet, Gauguin und vielen mehr.

Eine Stadt wie Buenos Aires lebt natürlich auch durch die Unterschiedlichkeit der „barrios“, also Viertel der Stadt. Um die kennenzulernen läuft man als Tourist oft etwas planlos durch. Glücklicherweise bekommen wir Hilfe von unerwarteter Seite. Nacho, der mich letztes Jahr per Couchsurfing in Dresden besucht hat, lebt eigentlich in Osteuropa. Wie es der Zufall will, hält er sich gerade in seiner Heimat auf und hat Zeit, uns Hintergründe zu erklären und seinen Lieblingsstadtteil zu zeigen. Wir erkennen schnell, dass Buenos Aires eine sehr politische Stadt ist. Überall gibt es mehr oder weniger versteckte Symbole, die an aktuelle oder vergangene Ereignisse erinnern. Zur Zeit tragen viele Frauen und Männer grüne Schals oder färben sich die Haare oder Fingernägel grün, um zu den Abtreibungsrechten Stellung zu beziehen. Grün steht für die Lockerung der Abtreibungsgesetze. Hellblau ist die Farbe der Abtreibungsgegner. Eine Abstimmung dazu steht im Parlament demnächst an. Nacho meint, dass das Votum vielleicht ein Ablenkungsmanöver der Regierung ist, die eigentlich gegen eine Lockerung ist, sondern einzig die schlechte wirtschaftliche Lage kaschieren will. Einen grünen Sticker trägt er trotzdem.

Egal wo wir auf Menschen in Buenos Aires treffen, sie sind zwar zurückhaltend, aber überaus freundlich, charmant und sympathisch. Wenn sie nur etwas sauberer und langsamer Spanisch sprechen würden… Hier leben? Das könnte ich mir für eine Weile vorstellen, die Integration wäre, glaube ich, nicht so schwierig. Denn in den gesamten zwei Wochen Buenos Aires haben wir das Gefühl, dass die Porteños den Europäern sehr ähnlich sind. Zum Abschluss treffen wir Nacho nochmal auf ein Craft-Beer und plaudern über Argentinien und den Rest der Welt. Auf der Straße vor der Bar erschnuppern wir einen bekannten Duft. Kein Fleisch, sondern etwas rein Pflanzliches. Hier ist es wirklich wie zu Hause.

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