Conny und Matthias um die Welt

Paradies Neuseeland

 

Ahhh, schön warm, ich kann die Wollmütze absetzen. Vor allem im Gegensatz zu draußen. Brrr. Wir befinden uns inzwischen weit im Süden. Abends sind es jetzt -2° C. Nachts noch weniger. Wir stehen an der Rezeption eines Campingplatzes. Vor uns noch ein Kunde. Schhhhhh. Die Automatiktür öffnet sich. Ein Chinese schlüpft rein. Schhhh. Tür zu. Schhh. Tür auf. Eiseskälte kommt rein. Jetzt noch ein Chinese. Schhh. Tür zu. So geht das noch weitere zehn Mal. Dann bleibt ein chinesischer Jugendlicher an der Automatiktür von innen stehen und schhhh Tür auf. Eiseskälte rein. Schhh. Tür zu. Tür auf. Tür zu. Tür auf. Tür zu. Arrrgh. Jetzt geh doch mal von dem Sensor weg. Hier drinnen wars eigentlich schön warm. Du bist doch nicht 5 Jahre alt!

Wir bekommen einen Platz für unseren Campervan „Opi“ zugewiesen. Gleich neben der großen Küche. Wir suchen unsere Pfanne, Töpfe, Besteck zum Kochen zusammen, Matthias geht schon mal vor. Ich sortiere noch die Lebensmittel. Matthias verteidigt währenddessen drinnen „unsere“ Kochplatte. Denn da sind sie schon. Die chinesischen Touristen. Ruckzuck haben sie die anderen sechs Kochplatten belegt. Und füllen die große Küche mit Gerüchen und Lärm. Und sie sind so wuselig. Wie an der Anmeldung. Nerv. Am Strand ganz einsam mit unserem Bus, nur wir und der Ozean, einen Tag ist es her. Da wars so schön. Ach menno.

Aber so ist das. Je mehr Menschen auf der Kugel, desto weniger einsame Orte gibt es noch. Und ja, die Chinesen werden reicher und reisen jetzt auch. Noch sehen wir sie selten als Backpacker. Hier in Neuseeland kommen sie in großen Campervans oder Reisebussen. Aber vielleicht ändert sich das die nächsten Jahre… Und da, wo es schön ist, wollen alle hin.

Wir sind jetzt am Franz Josef Gletscher. Vor vielen vielen Jahren reichte er noch bis ans Meer. Durch die Klimaerwärmung ist er aber wie überall auf der Welt auf dem Rückzug. Als Matthias vor 19 Jahren da war, konnte man noch sehr nah an den Gletscher heranwandern. Nun ist Franz Josef soweit abgeschmolzen, dass es zu gefährlich geworden ist. Die Kiwis haben reagiert. Alle Agenturen weit und breit bieten Helikopter- Tourismus an. Mit dem Heli drüber fliegen oder auch landen, auf dem Gletscher wandern, zurückfliegen. Oder mit dem Heli zwei Gletscher anfliegen. Oder zusätzlich den Mount Cook. Aber die Zeit arbeitet gegen die Kiwis. Wenn der Gletscher nur noch winzig ist, werden keine Touristen mehr kommen.

Wir entscheiden uns gegen den Heli-Flug (jaja, ich weiß, ist geil, aber nein). Und starten früh morgens auf den Alex Knob Trek. Am Eingang des Wanderwegs steht ein Schild, fast schon entschuldigend, dass man viele Helikopter hören wird, aber dass dies die einzige Möglichkeit sei, auf dem Gletscher Ausflüge zu machen. Und für die Kiwis noch Geld zu verdienen, fügen wir hinzu. Es wird an diesem Tag eine wunderschöne Wanderkletterei für uns. 1.000 Höhenmeter hoch, und wir werden mit einem 360° Blick belohnt. Wir sehen den Franz Josef Gletscher in voller Pracht, daneben die Berge bis hin zum Meer. Eine Stunde sitzen wir oben auf dem Gipfel und genießen die Sonne und den Ausblick.

Auf dem Weg nach unten hören wir sie wieder. Die vielen Helikopter. In der Zeit, die wir hoch und runter gelaufen sind, waren es bestimmt mehr als 40 Helikopter. Irre. Wie ist das dann zur Hochsaison hier? Fliegen sie dann im 5 Minuten Takt? Und kann man dann noch die Natur genießen?

Neuseeland ist eines der schönsten und atemberaubendsten Länder, die ich kenne. Viele Menschen teilen meine Meinung und kommen immer wieder hier her zurück oder werden zu Einwanderern. Vor zwei Jahren reisten 3,5 Millionen ein – bei 4,7 Millionen Einwohnern. Puh. Sie werden sich was einfallen lassen müssen, die Kiwis, wenn sie ihre Natur und Einsamkeit erhalten wollen. 100% pur ist ihr Werbeslogan. Aber schon jetzt gibt es genug Beschwerden der Neuseeländer über zu viele Touristen, überfüllte Ferienorte, den Müll an den Campingplätzen und die Steuergelder, die für die touristische Infrastruktur ausgegeben werden.

Hohe Preise minimieren die Besucherzahl automatisch, und Werbung für die Nebensaison und weniger touristische Orte wird schon gemacht. Vielleicht müsste die neuseeländische Regierung noch mehr tun, um den Tourismus zu regulieren. Sonst geht ihr Paradies verloren.

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