Conny und Matthias um die Welt

Was frau so trägt

Lange bevor unsere Reise losging, habe ich mich mit der Klamottenwahl im Iran beschäftigt. Der sogenannte Hijab (sprich: hiiiehdschab), der muslimische Dresscode, ist im Iran gesetzlich verpflichtend. Was trage ich, und worauf muss ich als Frau achten? Das mit dem Kopftuch war schnell klar, eins aus Deutschland mitnehmen und dann hier eins kaufen wie es von den Frauen im Iran getragen wird. Das habe ich am Ende nicht gemacht, denn am meisten tragen sie schwarz, die Farbe der Trauer. Da bin ich bei meinen farbigen Tüchern geblieben. Kopftuch trägt man immer in der Öffentlichkeit. Und ich kann euch sagen, wenn man jeden Tag das Kopftuch neu wickelt: es gibt wie „bad hair days“ auch „bad hijab days“, an denen das Tuch einfach nicht halten will. An anderen Tagen kann der Wind noch so wehen und es hält. Rom, 35 Grad, die Frisur hält. Zum Kopftuch dazu soll Frau ein Oberteil und/oder eine Jacke tragen, die bis zur Hälfte des Oberschenkels reicht, also den Allerwertesten bedeckt. Dass der Po so sexy ist, war mir nicht klar. Aber wenn man schon nach wenigen Tagen mal wieder einen Touristen in westlicher Kleidung mit enger Jeans sieht, dann weiß man, dass der feminine Hintern doch heiß sein kann.

Eine Vorschrift, Hijab zu tragen, gibt es im Koran nicht. „Es wäre besser, wenn die Frau Hijab trägt.“ Die Interpretation des Korans ist daher entscheidend.
In manchen Ländern wird es als freie Wahl oder als „nur Kopftuch“ bis hin zur Verpflichtung zur Burka verstanden. Und Kopftuch ist nicht gleich Kopftuch. Es gibt noch Spielarten der Hijabs, die ich erst hier kennengelernt habe. Al Amira ist so eine feste Badekappe oder Schweißband und darüber kommt dann das einteilige Tunneltuch mit Loch fürs Gesicht. Dann die Batula, da sieht frau aus wie ein Vogel. Mit so Schnabel im Gesicht. Das tragen Frauen im Süden vom Iran. Dann der Chador, der ist häufig und überall zu sehen. Im Prinzip ist das ein Bettlaken, womit man sich zusätzlich zum Kopftuch und zur Pobedeckung von Kopf bis Fuß verhüllt. Frau sieht von vorne wie von hinten wie ein Kegel aus. Ich musste in manchen religiösen Schreinen und Moscheen zusätzlich einen Chador tragen. Das habe ich als sehr störend empfunden. Das Bettlaken hat ja keine Schlitze für die Hände. Es hält auch nicht von allein. Die Frauen müssen es entweder mit der Hand zuhalten oder mit den Zähnen reinbeißen oder den Chador so wickeln, dass er am Endstück unter den Arm geklemmt werden kann. Frau ist aber die ganze Zeit damit beschäftigt, den Chador zu fixieren. Auch eine indonesische Touristin quälte sich neben mir ab. Mit Chador habe ich mich wirklich diskriminiert gefühlt. Es gibt noch die Niquab, die Kombi aus Kopftuch mit Zusatztuch über Nase und Mund. Und dann natürlich die Burka, der komplette Kegel mit Gitterfenster zum Durchgucken. Mein Gott.
Baden ist im Iran in langer Kleidung mit Kopftuch angesagt. Auch jede Sportart, dazu gehören auch Kampfsportarten oder Klettern, müssen Geschlechter getrennt mit Kopftuch bestritten werden. Neulich hat eine iranische Fußballerin das Kopftuch im Ausland abgenommen. Das gab einen Aufschrei im Iran. Welche Strafe sie bekommt, weiß ich nicht. Und wer sagt, dass Baden in langen Klamotten ja nicht so schlimm ist, hat danach die Sachen aber nicht anlassen und frieren müssen.
Es gab immer wieder Proteste von Frauen, die sich auf die Straße gestellt und ihr Kopftuch abgenommen und auf einer Stange als Fahne geschwenkt haben. Die letzten kamen vor drei Wochen ins Gefängnis.
Frauen haben im Iran sonst wenig Einschränkungen. Sie dürfen genauso wie in Deutschland auch Auto fahren und als CEO oder Manager von großen Firmen dieselben Positionen wie Männer ausfüllen. Die Rate an Frauen in Chefpositionen  und leitenden Ämtern ist höher als in Deutschland, und es studieren mehr Frauen als Männer im Iran. Bis 1979 war ein Shah Staatsoberhaupt, und Kopftuch war keine Pflicht. Seither versuchen Frauen in größeren Städten die Kleiderordnung auszudehnen. Lockere Kopftücher, eng anliegende Mäntel, gekürzte Hosen und auch mal gar kein Kopftuch im Auto. Denn das Auto sei ja privater Raum und nicht öffentlich. Die iranische Regierung hat reagiert und zivile Moralpolizisten in Teheran eingesetzt. Die Teheraner wiederum haben daraufhin eine App zum Lokalisieren der Polizei wie bei uns die Blitzer-App programmiert.
Ich habe verschiedene Frauen und Männer in unterschiedlichen Provinzen gefragt, ob sie die Pflicht zur Hijab als richtig empfinden. Alle waren sich einig, dass es keine gesetzliche Pflicht, sondern eine persönliche Entscheidung bleiben sollte. Und so gibt es dann doch viel mehr Frauen als man denkt, die Hijab auch als Tradition im Iran und Teil ihrer Kultur sehen. So wie die Frauen in unserer Gastfamilie in Shiraz, die auch zu Hause Hijab tragen. Matthias durfte sie nie ohne Kopftuch sehen und so kam nur ich allein in den Genuss, mit den Frauen persönliche Fotos ohne Kopftuch, zum Beispiel beim Taekwondo mit weiblicher Trainerin, anschauen zu dürfen. Es fühlte sich ein bisschen so an als hätte ich Zutritt zu einem geheimen Versteck bekommen. Und ich wurde versöhnt mit den vielen Hijab-Strapazen der letzten Wochen.
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