Conny und Matthias um die Welt

Couchsurfing im Iran

 

… ist der Titel eines Buches von Stephan Orth. Wir beide haben dieses Buch gelesen bzw. gehört und vielleicht ist es einer der Gründe, warum wir jetzt im Iran sind. Im Buch beschreibt der Spiegel-Autor seine Erlebnisse mit seinen Gastgebern im Iran. Man muss wissen, dass Couchsurfing im Iran illegal ist. Ebenso ist die Webseite nur über Umwege erreichbar. Trotzdem gibt es im Iran unzählige begeisterte Gastgeber, die ein Plätzchen in ihren vier Wänden für Reisende anbieten.

Allein in Shiraz waren über 1000 Gastgeber zum Zeitpunkt unseres Besuches verfügbar. Wie zum Teufel soll man sich da entscheiden? Das Angebot reicht von coolen Typen mit Sonnenbrille, verheirateten Frauen, nicht verheirateten Frauen bis zu Familien mit Kindern. Oh siehe da, ein Zahnarzt der Deutsch spricht und weiter lernen will. Aber leider kann er nicht. Na gut, weiter schauen, hier ist ein Ingenieur namens Moji (wie in Emoji) mit sympathischem Lächeln und fantastischen Bewertungen. Er sagt sofort zu, er wohnt bei seinen Eltern außerhalb von Shiraz und besteht darauf, uns vom Busbahnhof abzuholen. Wir freuen uns, jetzt bei einer ganz normalen iranischen Familie wohnen zu dürfen. Schüchtern wagen wir uns in das Haus der Familie vor. Wir treffen Mutter und Schwester, die beide Kopftuch tragen. Die Mutter eher traditionelle Kleidung. Wir bekommen sofort ein leckeres Frühstück serviert. Man isst auch hier auf dem Fußboden. Auch unser Schlafplatz ist wieder eine Matratze auf dem Boden in Mojis Zimmer, dass er extra für uns räumt. Die berühmte iranische Gastfreundschaft beginnt sich jetzt voll zu entfalten. Wir werden ständig bekocht, und Conny kann das Kopftuch im Haus abnehmen. Schließlich interessiert man sich sehr für die blonde Haarpracht. Es dauert nicht lange, und wir werden zum Teil der Familie erklärt. Mit Moji diskutieren wir über Politik und die Unterschiede zwischen Deutschland und dem Iran. Besonders spannend: wie funktioniert denn das mit dem Kennenlernen von Mann und Frau bei uns. Wir lernen über die Wichtigkeit der Familie im Iran und über das Bildungssystem. Mojis Schwester muss sich nach der Schule auf den Aufnahmetest der Universitäten vorbereiten. Sage und schreibe zwei Jahre sind dafür veranschlagt. Viel hängt von diesem Test ab, nur die besten des Landes dürfen Medizin studieren und können als Arzt oder Zahnarzt auf ein sehr gutes Gehalt hoffen. Auch Mojis Schwester hat dieses Ziel, entsprechend erklärt sich der Aufwand.

Ich war selbst in Dresden Couchsurfing-Gastgeber und habe mich auch gerne um meine Gäste gekümmert, aber Moji und seine Familie sind eine Klasse für sich. Wir fühlen uns ein bisschen schlecht, weil wir das alles nicht zurückgeben können. Da in unserem Rucksack kein Platz für Gastgeschenke war, beschließen wir, für die Familie zu kochen. Schwein und Quark können wir nicht verwenden, aber für einen Kaiserschmarrn sollten doch alle Zutaten zu bekommen sein. Deutsche Butter und auch der Rest finden sich im „Hyperstar“. Apfelmus müssen wir aus frischen Äpfeln machen. Moji erweist sich als professioneller Eischaumschläger per Hand. Am Ende sind alle sehr satt und die österreichische Süßspeise ist allem Anschein nach gut angekommen.

Nach dem Essen trauen wir uns Moji zu fragen, wie religiös er und seine Familie sind. Offen antwortet er, dass er weniger religiös ist, seine Eltern und Schwestern aber schon etwas mehr. Seine Mutter ergänzt, dass das trotz aller Traditionen kein Problem ist. Im Gegenteil, Weltoffenheit und Toleranz gehören zur Familie. Wenn man selbst nicht so einfach ins Ausland reisen kann, dann lädt man eben mit Couchsurfern die Welt zu sich nach Hause ein.

Der Abschied fällt uns sehr schwer. Wir sollen bitte noch einen Tag länger bleiben. Am Ende sitzen wir doch im Bus. Die Heizung läuft auf 35 Grad und es ertönt ein skurriles Modern-Talking-Cover in Farsi.

 

 

 

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